Geschichte der Raumfahrt

Allgemeines
Obwohl schon lange die Vorstellung von Reisen zum Mond oder anderen Planeten und Sternen bestand, wurde erst im 20. Jahrhundert mit der Entwicklung der Raketentechnik eine brauchbare und die bisher einzige Methode gefunden, die ausreichend lange so hohe Beschleunigung ermöglicht, dass ein dauerhaftes Verlassen des Planeten möglich wird.


Theoretische Grundlagen und Raketen-Pioniere
Die Theorie der Raumfahrt wurde unter anderem vom Russen K. E. Ziolkowski (1857-1935) untersucht, der 1898 die mathematischen Grundprinzipien des Raketenantriebs formulierte (siehe Raketengrundgleichung). Der Siebenbürger Deutsche Hermann Oberth (1894-1989) stellte 1923 die Grundgleichung der Raketentechnik auf und zeigt mit dem Konzept der Stufenrakete, wie man große Nutzlasten energetisch günstig in die gewünschte Flugbahn bringen kann.

Von den ersten Ingenieuren und experimentellen Wissenschaftern seien der Amerikaner R. H. Goddard (1882-1945) erwähnt, der ab etwa 1910 kleine Raketenmotoren entwickelte. 1926 gelang ihm der Start der ersten Flüssigkeitsrakete. Noch früher tätig war hierin der Südtiroler Astronom und Raketenpionier Max Valier (1895-1930). Er wagte als erster Europäer Experimente mit flüssigen Treibstoffen und baute u.a. ein Raketenauto (heute Deutsches Museum. Bei einem Labortest in Berlin explodierte ein Aggregat und ein Metallsplitter tötete den nur 35-Jährigen.

Diese Grundlagenforschung enthusiastischer Einzelpersonen bis Anfang der 30er Jahre war Grundstock für die Entwicklung zur Hochtechnologie, die nur in Symbiose mit militärischen Interessen und staatlicher Finanzierung möglich war. Einen großen Anteil an solchen Weiterentwicklungen hatte Wernher von Braun (1912-1977) - von Peenemünde 1934 und der A4 (dem Vorbild vieler russischer und US-Raketen) bis zur Saturn V der Mondlandungen 1969-1972.


Militär und Industrie entdecken die Raumfahrt
Dieser Prozess setzte zunächst im Deutschen Reich ein, das in der neuen Technologie eine Möglichkeit erkannte, die Bestimmungen des Versailler Vertrags zu umgehen. Bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges entstand so der Forschungs- und Produktionskomplex Peenemünde unter Wernher von Braun, der schließlich die A4/V2-Rakete hervorbrachte und als verheerende Fernwaffe vor allem gegen London und Antwerpen eingesetzt wurde. Die Militärstrategen und Politiker der Sowjetunion und der USA erkannten das enorme Potential der Raketentechnik und versuchten, aus dem besetzten Deutschland nicht nur Geräte und Blaupausen, sondern auch Know-How zu erbeuten. Damit begann bereits in den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges ein Wettlauf zwischen den beiden Staaten, der Jahrzehnte andauern sollte.


Der Wettlauf ins Weltall im Kalten Krieg
Im nun einsetzenden Kalten Krieg kam der Raumfahrt vor allem eine massenpsychologische und propagandistische Bedeutung zu. Neben dem offensichtlichen militärischen Wert wurde sie von den Zeitgenossen als Messlatte für die Leistungsfähigkeit und Fortschrittlichkeit der beiden konkurrierenden Systeme wahrgenommen.

Als Folge des so genannten Sputnikschock 1957 wurde der amerikanischen Öffentlichkeit schlagartig bewusst, dass die Sowjetunion den technologischen Rückstand fast vollständig aufgeholt hatte. Von diesem Zeitpunkt an wurde die Raumfahrt auch in den USA nach Kräften gefördert, und es kam zu einem regelrechten Wettkampf. Die UdSSR erbrachte dabei zahlreiche bedeutende Erstleistungen. Am 12. April 1961 umkreiste Juri Alexejewitsch Gagarin als erster Mensch im Weltall die Erde und die Sonden Lunik 2 und Luna 9 landeten 1959 und 1966 erstmals auf dem Mond. Dagegen konzentrierten sich die Anstrengungen der USA unter Präsident Kennedy auf die bemannte Mondlandung, die am 20. Juli 1969 mit einer halben Milliarde TV-Zuschauern das vielleicht größte Medienereignis zur Zeit des Kalten Krieges war.

Obwohl die zivile Raumfahrtbehörde NASA im Mittelpunkt der Öffentlichkeit stand und steht, wurde die Entwicklung der Raumfahrt abseits der öffentlichkeitswirksamen Prestigeprojekte ausschließlich von militärischen Erwägungen bestimmt. Etwa drei Viertel aller Satellitenstarts bis heute dienten militärischen Zwecken. Die USA verfügten seit 1959 über Aufklärungssatelliten, seit 1960 über Wetter-, Navigations- und Frühwarnsatelliten.

Das beiderseits stetig anwachsende Atomwaffenarsenal mündete schließlich im nuklearen Patt. Dieser höchst bedrohliche Aspekt der Raumfahrt, der sich ab den 70er Jahren auch in einer immer stärker werdenden Friedensbewegung niederschlug, hatte eine Reihe von Abrüstungsverträgen (START-Verträge) und Abkommen zur Begrenzung strategischer Waffensysteme (ABM-Vertrag) zur Folge.

Die Sowjetunion führte ihre bereits in den 60er Jahren begonnenen Forschungen an Kopplungsmanövern, Langzeitflügen und Weltraumausstiegen von Kosmonauten über die erste Raumstation "Saljut 1" weiter bis zu gemeinsamen Kopplungsmanövern mit den USA 1975 und schließlich zur permanent bemannten Raumstation Mir.

Ab den 70er Jahren spielte die Kommerzialisierung der Raumfahrt bzw. aus der Raumfahrtforschung hervorgegangener Technologien eine immer größere Rolle. Beispiele sind Nachrichten- und TV-Satelliten, CD-Spieler und zahllose mikroelektronische und informatische Anwendungen bis hin zu GPS und Digitalfotografie.


Kooperation und Globalisierung der Raumfahrt
Schon während der MIR-Ära konnte man eine verstärkte Kooperationsbereitschaft zwischen den USA und Russland beobachten. So dockte der Space Shuttle mehrmals an der alternden Raumstation an und trug damit wesentlich zum Erhalt bei.

Die gemeinsamen Bemühungen mündeten schließlich in der Planung und dem Bau der Internationalen Weltraumstation (ISS). Nach dem Absturz der Raumfähre Columbia und einer Strategieänderung bei der NASA ist die Zukunft der ISS nach 2010 aber nicht mehr gesichert, da man in den USA ab diesem Zeitpunkt mit dem Space Shuttle die ISS nicht mehr bedienen will.

Und so beschleunigt Russland nun den Bau des neuen Allround-Raumschiffes Clipper. Es soll vorbehaltlich der Finanzierung im Jahr 2010 fertig sein. Russlands neuer Kosmosagentur-Chef Anatoli Perminow hat deshalb die europäische Weltraumorganisation ESA aufgefordert, sich an dem 350-Millionen-Dollar-Projekt zu beteiligen.

Weitere Raumfahrtnationen

Brasilien
Auch Brasilien versucht im Weltraum Fuß zu fassen. Bisher jedoch mit wenig Glück. 1997 stürzte eine Trägerrakete kurz nach dem Start in den Atlantik. 1999 musste eine Rakete kurz nach dem Abschuss zerstört werden und am 23. August 2003 forderte eine Explosion der Rakete VLS-1 auf dem Stützpunkt Alcantara im Bundesstaat Maranhao 21 Menschenleben. Bei einem Jahresetat von 30 Millionen US-Dollar ist selbst das Ziel, im Jahr 2006 wieder einen Satelliten aus eigener Kraft zu starten, nur schwer erreichbar, alleine die Reorganisation nach dem Unfall kostet 100 Millionen US-Dollar.


China
Seit längerem hat auch China die Raumfahrt verstärkt gefördert. Am 15. Oktober 2003 hat es den ersten Taikonauten (chinesische Bezeichnung für einen Astronauten) mit einem Shenzhou-Raumschiff in die Erdumlaufbahn geschickt. Neben Russland und den USA ist China somit als drittes Land in der Lage, bemannte Raumflüge durchführen zu können. Der Schwerpunkt des Landes liegt nun auf der Errichtung einer eigenen Raumstation und eine unbemannte Mondmission bis zum Jahr 2020, der erste Start einer unbemannten Mondmission mit dem Namen Chang'e 1 soll noch vor dem Jahr 2007 stattfinden.


Europa
Erst in den 1980er Jahren erlangten auch andere Staaten eine zunehmende Bedeutung in der Raumfahrt. So hat Europa mit der Ariane-Rakete ein marktbeherrschende Stellung beim Transport von kommerziellen Satelliten in den Weltraum eingenommen, nachdem zuvor in der 1960er und 1970er Jahren die Entwicklung einer eigenen Trägerrakete mehr oder weniger erfolglos blieb. Nachdem die ESA in den 1980er Jahren sehr eng mit den USA zusammenarbeitete, beispielsweise mit dem Spacelab-Projekt, ergaben sich nach dem Fall des Eisernen Vorhangs auch andere Kooperationsmöglichkeiten. Erste Schritte wurden durch den Besuch von europäischen Astronauten auf der Raumstation MIR vollzogen.


Indien
Auch Indien verstärkt seine Raumfahrtaktivitäten und hat für 2007 den Start einer eigenen Mondsonde angekündigt. Die internationale Kooperation, vor allem mit den USA, spielt dabei in der Strategie eine große Rolle, so werden bei der unbemannten Mondmission auch zwei amerikanische Instrumente eingesetzt werden. Weitere Triebfeder der Entwicklung ist der jetzige Staatspräsident Abdul Kalam. Er war früher für die Entwicklung des Raketen- und Raumfahrtprogramms des Landes zuständig und gilt als Vater der indischen Raumfahrt.


Iran
Im Januar 2004 kündigte der iranische Verteidigungsminister Ali Shamkhani an, dass sein Land innerhalb von 18 Monaten einen Satelliten starten werde.


Israel
Israel führte 1988 den ersten erfolgreichen Start seiner Trägerrakete Shavit durch. Weitere Starts folgten 1990, 1994 (Fehlschlag) und 2002.


Japan
In Japan wurden ebenfalls eigene Trägerraketen entwickelt. Die sehr visionär ausgerichtete Weltraumpolitik konnten aber bisher nicht vollständig in die Praxis umgesetzt werden. Immer wieder führten Rückschläge und Finanzprobleme zu Verzögerungen, obwohl die Bevölkerung im Gegensatz zu den Europäern den Projekten aufgeschlossener gegenüber steht.


Nichtstaatliche Raumfahrt
Am 21. Juni 2004 erreichte mit SpaceShipOne zum ersten mal ein ausschließlich von nichtstaatlichen Organisationen finanzierter bemannter Flugkörper die als Grenze zum Weltraum definierte Höhe von 100 Kilometern. Es gab jedoch bereits früher entsprechende Projekte, zum Beispiel die deutsche OTRAG-Rakete.


Zukünftige Entwicklung

Technische Aspekte
Grundlagenforschung und die allgemeine technische Innovation produzieren immer neue Materialien oder Verfahren, auf der auch neue Konzepte beruhen.

Kombinierte Luft- und Raumfahrzeuge oder der Weltraumlift sollen künftig die Startkosten weiter senken und der Raumfahrt zum wirtschaftlichen Erfolg verhelfen. Andere Techniken wie Ionentriebwerke oder Sonnensegel sollen es der Menschheit ermöglichen, schnell den interplanetaren Raum und eines Tages vielleicht sogar andere Sonnensysteme vorzustoßen.


Ökonomische Aspekte

Kommerzialisierung
Große Erwartungen setzt man auch in Entwicklungen wie den kommerziellen Weltraumtourismus und andere Kommerzialisierungsversuche. Durch den Eintritt von China in den Club der bemannten Raumfahrt und eine Strategieänderung der USA in ihrer Raumfahrtpolitik Anfang 2004 erhoffen sich die Unternehmen und die Hauptverantwortlichen einen neuen Innovationsschub.


Hoher Kostenfaktor Bemannte Raumfahrt
Um Astronauten sicher in den Weltraum und wieder zurück zu transportieren, sind teure Sicherheits- und Lebenserhaltungssysteme notwendig. Aufgrund dieser Sachlage streiten Raumfahrtexperten, ob der Schwerpunkt der weiteren Entwicklung - zumindest bei wissenschaftlichen Missionen - nicht eher auf unbemannte Systeme gelegt werden soll.


Strategische Aspekte
Ein bemannter Flug zum Mars steht für die kommenden Jahrzehnte im Fokus der Raumfahrtstrategen. Er ist das erklärte Fernziel der NASA und der ESA und das bisher ehrgeizigste Projekt der Raumfahrt überhaupt. Präsident George W. Bush stellte Anfang 2004 eine neue langfristige Planung für die NASA vor, die den Schwerpunkt hin zu bemannten Missionen zum Mond und zum Mars verlagerten. Europa hatte zuvor schon mit seinem Programm Aurora eine solche Planung aufgestellt.


Weitere Fernziele
Neben dem Versuch, eine allgemeine philosophische Begründung für die Raumfahrt zu geben, definieren Wissenschaftler, Politiker und Philosophen Fernziele der Raumfahrtaktivitäten. Solche Fernziele sind: Energiegewinnung aus dem Weltraum, Rohstoffgewinnung außerhalb der Erde und die Kolonisierung anderer Planeten. Die Suche nach Leben außerhalb der Erde  rückte in den letzten Jahren immer mehr in den Fokus der Argumentationen.

 

Raumfahrt-Agenturen

Weblinks

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